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Eine wissenschaftliche Aussage über die Welt kann falsch oder richtig sein. Wie lässt sich das feststellen? Prinzipiell können wir versuchen, die Aussage zu begründen oder sie zu kritisieren.

Begründen?

Interessiert sind wir meist an richtigen Aussagen über die Welt, die beschreiben, was tatsächlich der Fall ist. Könnten wir nicht sicher sein, etwas Zutreffendes ausgesagt zu haben, wenn es uns gelingt, dies auch zu begründen? Leider gibt es hier ein Problem: Bislang konnte noch niemand eine Methode entwickeln, etwas voraussetzungslos zu begründen. In der Philosophie wird dies seit Jahrtausenden erfolglos versucht.

Münchhausentrilemma

Woran liegt das? Voraussetzungsloses Begründen, auch Letztbegründen genannt, landete bisher immer in drei Sackgassen, was der Philosoph Hans Albert als Münchhausentrilemma bezeichnete. Begründen bedeutet, die Richtigkeit einer Aussage dadurch nachzuweisen, dass man sie von einer anderen richtigen Aussage, d.h. einer Voraussetzung, ableitet. Wie aber stellen wir sicher, dass die Voraussetzung zutrifft?

  • Wir könnten versuchen, die Voraussetzung ebenfalls zu begründen, was uns aber nicht hilft, da wir nun eine weitere zu begründende Voraussetzung benötigen und sich dieser Prozess unendlich fortsetzt. Diese Sackgasse nennt man infiniten Regress.
  • Bei dem Versuch zu begründen könnten wir auch in einem (sog.”vitiösen”) Begründungszirkel landen, in dem wir das, was eigentlich zu beweisen ist, irgendwo in der Begründungskette bereits voraussetzen.
  • Schließlich könnten wir es uns einfach machen und bei einer Voraussetzung in der Kette abbrechen, indem wir sie ohne Begründung als richtig festlegen. Das führt uns zum Dogma.

Erfahrung

Aber können wir Aussagen nicht auch durch Beobachtungen als richtig nachweisen? An dieser Stelle müssen wir die wichtige Unterscheidung zwischen wissenschaftlichen Allgemein- und Existenzaussagen treffen. Eine Aussage vom letzteren Typ ist einer bestätigenden Beobachtung prinzipiell zugänglich. Um etwa die Behauptung “Es gibt Häuser” zu verifizieren, reicht meist bereits ein Blick aus dem Fenster. Eine unbeschränkte Allgemeinaussage, wie meine Tasse fällt immer zu Boden, wenn ich sie loslasse, lässt sich durch Beobachten aber nicht prüfen, denn dazu bräuchte ich unendlich viele Versuche.

Kritik!

Eine Allgemeinaussage über die Welt lässt sich aber kritisieren, indem man aus ihr etwas ableitet, das der Fall sein muss, wenn sie richtig ist. Es reicht also ein Gegenbeispiel aus, um die Richtigkeit einer Allgemeinaussage in Frage zu stellen. Lässt sich partout kein Gegenbeispiel finden, so bewährt sich die Allgemeinaussage. Wissenschaftliche Aussagen müssen ihrer Kritik widerstehen.

Bestätigung?

Aus methodischen Gründen kann man auf bestätigende Beobachtungen dennoch nicht verzichten, denn dies dient dazu, überhaupt Aussagen zu generieren, bei denen sich eine nähere Untersuchung lohnt. Einfach irgendwelche Aussagen zu prüfen, wäre völlig ineffektiv. Schließlich bedeutet Bewährung auch, dass wiederholte Kritik scheitert, was einer wiederholten Bestätigung gleichkommt.

Unkritisierbare Aussagen?

Was ist mit allgemeinen Aussagen über die Welt, die sich nicht kritisieren lassen? Aus solchen Aussagen lässt sich definitionsgemäß nichts ableiten, das der Fall sein muss oder nicht der Fall sein darf. Was aber mit Beliebigem vereinbar ist, sagt gar nichts über die Welt aus. “Morgen regnet es oder auch nicht”, ist mit jedem Wetter vereinbar. Kommen solche Aussagen in der Wissenschaft überhaupt vor? Leider ja. Ein historisches Beispiel ist die freudsche Traumdeutung: Ein Traum hat entweder sexuellen Inhalt oder, wenn nicht, hat er verdrängte Sexualität zum Inhalt. Die Deutung als sexueller Inhalt ist somit mit beliebigen Träumen kompatibel. Ein aktuelleres Bespiel liefert Robin Diangelo: Eine “weiße” Person habe nur zwei Möglichkeiten: Im ersten Fall könne sie sich zu ihrem Rassismus bekennen. Im anderen Fall leide sie unter dem Syndrom “white fragility”, womit sie ihren Rassismus nur leugne.

Kritisierbarkeit als Vorzug

Dass sich eine allgemeine Aussage über einen weltlichen Sachverhalt kritisieren lässt, ist also kein Mangel, sondern ein Vorzug. Erst Möglichkeit ihrer Kritik generiert den Gehalt einer Sachaussage. Wenn eine Allgemeinaussage nicht an der Erfahrung scheitern kann, so hat sie auch keinen empirischen Gehalt.

Kritizismus als Erkenntnistreiber

Erkenntnisfortschritt entsteht nicht automatisch, sondern benötigt insbesondere auch das Mittel der Kritik. Ein Wissenschaftszweig, der Kritik nicht zulässt, hört auf Wissenschaft zu sein. Dogmen sind keine Wissenschaft. Ein partieller wissenschaftlicher Kritizismus ist inadäquat, solange es nichts Letztbegründetes gibt.